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Kriegsende und Neuanfang -
Die Lehrerin Amalie Rumpler erzählt
Am 29. April kamen die Amerikaner nach Röhrmoos. Der Krieg war verloren. 25 deutsche Landser übernachteten am Jackerbauernhof. Diese schickten den Bauern Michael Reischl zur Station Röhrmoos, um Amerikaner zu holen, weil sie in Kriegsgefangenschaft gehen wollten. Ihre Gewehre warfen sie in die Mistgrube, die voll Odel war. Ein gefangener Russe beobachtete dies und verriet es den Amis. Am 12. Mai plünderten „KZ-ler“ aus Dachau den Jackerbauernhof. Auf einem Heuwagen mit zwei Pferden bespannt fuhren sie Wäsche, Kleider, Lebensmittel und Fahr-zeuge fort. Die Pferde kamen abends mit dem leeren Wagen allein zurück. Den Bauern Michael Reischl stellten sie an die Wand. Polen, die während des Krieges auf dem Hof arbeiteten, verhinderten, dass er erschossen wurde. Dem Michlbauern, Blasius Osterauer, gelang es, ein paar Amerikaner aus Schönbrunn zu holen. Diese machten der Plünderei fürs erste ein Ende. In den kommenden Wochen kamen Polen noch öfter und suchten nach dem Auto. „Reischl, Dich machen wir noch kalt“, drohten sie. Das Auto war Stürzers Auto (Kleinhadern). Es war in der Holzlege unter Holzscheiten versteckt. Am 15. August 1945 kamen die Polen bei Nacht. Sie versuchten durch die hintere und vordere Haustüre einzubrechen. Die Bäuerin Anni Reischl stemmte sich, das jüngste Kind Maria auf dem Arm, gegen die vordere Haustüre. Die Schwestern des Bauern, Kreszenz und Josefa Reischl, drehten auf dem „Troadboden“ die Sirene. Daraufhin suchten die Polen das Weite. Am nächsten Tag wurden beide Türen, auch die Balkontüre im Obergeschoß, mit zwei schweren Eichenbalken verrammelt. Der Neuhäusler Sepp, ein jugoslawiendeutscher Bauer, nach dem Krieg vor der SS abgehauen, arbeitete als Knecht und stand in diesen schweren Tagen treu zum Hof. Mit dem schwersten Hammer und dem längsten Schraubenschlüssel machte er sich an irgendeiner Maschine zu schaffen oder dengelte Sensen, bis die Polen den Hof verließen. Es wagte niemand, den Hünen Neuhäusler anzugreifen. Einige Jahre später 1950 kehrte ich als Lehrerin nach Röhrmoos zurück. Die 5./6. Klasse war mein Betätigungsfeld. Ich war zuhause an derselben Schule, die ich als Volksschülerin sieben Jahre und noch zwei Jahre als land- und hauswirtschaftliche Berufsschülerin besuchte. Im September, Schuljahresanfang, betrat ich zum ersten Mal wieder das Klassenzimmer. Ein sonderbares Erlebnis, da saßen sie wieder, die Leni, die Anni, die Resl, der Toni, der Martl ..., die mit mir bis 1927 die Schulbank drückten. Es waren deren Kinder, den Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten, ich brauchte sie nicht nach ihren Namen zu fragen. Meistens stimmte auch, was ich an geistigen Leistungen von ihnen erwartete. Dieser Umstand erleichterte meine Arbeit, beeinträchtigte sie aber auch manchmal. Die Kinder erfuhren über ihre Eltern auch, wer ich war: absolut keine zahme Schülerin, mit sieben Brüdern und sieben Schwestern aufgewachsen. So sagte mir der Toni, dem ich wegen seines unzulänglichen Fleißes Strafe androhte: „Freilein, mei Papa is mit Dir in die Schule gegangen.“ - „Ich hör Dich schon gehen“, sagte ich ihm, und daß ich aber nie so faul gewesen sei wie er. 1950 führte die Röhrmooser Schule noch ein armseliges Dasein. Acht Jahrgänge zu vier Klassen zusammengefasst aber nur zwei Klassenzimmer! Es mußte überall gespart werden. Ein Schulhauserweiterungsbau stand an. Außer ein paar Büchern und Landkarten war nichts an Anschauungsmitteln vorhanden. Was lag da näher, als die gute Erde, den Röhrmooser Lehm heranzuziehen. Der stand in Hülle und Fülle völlig kostenlos zur Verfügung. Mit Begeisterung formten die Kinder die Landschaften, die wir im Sandkasten gemeinsam bauten, zuhause nach. Da schlängelte sich ein blauer Wollfaden als Rhein durch das „Rheinische Schiefergebirge (aus Lehm), rote Blättchen aus dem Locher gaben die Lage der Städte an, Fähnchen mit Aufschrift bezeichneten die Gebirgszüge. Ich war richtig stolz auf die Erfolge, bis zu jenem Tag, an dem mich meine ehemalige Mitschülerin und Freundin, die Fritz Leni, auf dem Schulweg abpasste. Als ich ansichtig wurde, grüßte ich freundlich über den Zaun. „Guat Morgen, Leni!“ Was da zurückkam, ließ mich aus allen Wolken fallen: „Ja bist`n Du ganz damisch, no oamoi wennst de Kinder de Loambatzerei oschaffst, na kannst de Küch Du putzen und`s Gwand waschen, daß`d das woaßst!“ In der Not fiel mir nichts Besseres ein (ich wusste, sie strickte gern und sehr schön): „So schlimm wird`s schon nicht gewesen sein. Du hast doch Stricken auch durch Stricken gelernt und nicht durch Lesen von Strickmustern.“ Wir einigten uns dann, daß der Erich seine Lehmarbeiten in Zukunft draußen erledigt und schieden als alte Freunde.Thema: Zeitzeugeninterviews
Autor: Amalie Rumpler
Quelle: Amalie Rumpler
Ort: Gemeinde Röhrmoos